Der urbane Baumbestand kann Teil der Lösung sein. In den vergangenen Jahren haben einige Städte begonnen, nachhaltige und widerstandsfähige Modelle der Stadtentwicklung zu fördern. Sie investieren in Wälder, Feuchtgebiete und andere Grünflächen, um städtische Probleme anzugehen, die oft versucht wurden, technisch zu lösen. Dabei kann eine grüne Infrastruktur billiger und effektiver sein als manch eine technische Lösung. Dazu gehören Konzepte, die den urbanen Baumbestand retten und weiterentwickeln sollen.
Innovative Konzepte für den urbanen Baumbestand Stadtwälder dienen dem Erhalt biologischer Vielfalt, der Luftreinigung und dem Schutz des Klimas. Zudem bieten sie Raum für Freizeit und Erholung, werten das Image der Städte auf und sind Lebensraum diverser Tierarten.
Eines der innovativen Konzepte für die Weiterentwicklung des urbanen Baumbestandes sieht vor, Brachflächen in Stadtwälder umzuwandeln und diese ohne kostspielige Pflegemaßnahmen zu schützen und zu erhalten. Mit Halle und Leipzig sind gleich zwei ostdeutsche Städte Vorreiter bei diesem Konzept. Dies ist insofern kein Zufall, als dass aufgrund des Bevölkerungsrückgangs nach der Wiedervereinigung im Osten Deutschlands zahlreiche weiträumige Brachflächen entstanden.
Auf den Flächen standen zuvor Siedlungen, die nach der Wende abgerissen wurden. Eine Aufforstung bietet sich auf diesen Flächen an und bringt den Stadtbewohnern großen Nutzen.
Hier die Beispiele im Detail:
1. Aus Plattenbausiedlung wird Waldstadt – ein Stadtforst für Halle-Silberhöhe
Der Stadtteil Halle-Silberhöhe entstand am südlichen Zipfel von Halle zwischen den Jahren 1979 und 1989. 15.000 Wohnungen wurden in der typisch industriellen Plattenbauweise errichtet. Diese beherbergten vor allem die Familien der Arbeiter der Chemiekombinate Leuna und Buna.
Nach dem Mauerfall war kaum ein anderer Stadtteil in Halle so stark von der Bevölkerungsabwanderung betroffen wie Silberstadt. Aus 40.000 Anwohner wurden 10.000 und Silberhöhe zu einem Schwerpunktbereich des Stadtumbaus in Halle.
Im Jahr 2001 wurde ein einmaliges Nachnutzungsmodell beschlossen, das aus der einstigen Plattenbausiedlung eine attraktive Waldstadt machen sollte.
Der in den Folgejahren entstandene Wald setzt sich aus unterschiedlichen Wald- und Vegetationstypen zusammen. Dichte Baumdächer und freie Lichtungen wechseln einander ab. Für die Gestaltung machte man sich das Zusammenspiel verschiedener Blütezeiten zunutze. Weiße Birkenstämme bilden einen Kontrast zu knorrigen Kiefern. Und statt elfgeschossiger Plattenbauten rahmen fünfgeschossige Wohnhäuser, Baumhaine und Baumblöcke den Grünzug.
2. Urbane Wälder in Leipzig
Ein weiteres Beispiel für erfolgreiche Stadtbewaldung findet sich in Leipzig. Die Stadt hatte die Möglichkeit, gleich drei Brachflächen zu Stadtwäldern aufzuforsten. Das Projekt wurde vom Bundesamt für Naturschutz gefördert. Die TU Dresden koordinierte die wissenschaftliche Begleitforschung. Sie untersuchte anhand der neuen Waldflächen und einer Anzahl bereits länger bestehender urbaner Wälder die Auswirkungen von Wäldern auf Naturhaushalt und Biodiversität in Stadtgebieten, auf die Stadtgestalt, Stadtumbau und die Eignung als Erholungsgebiet. Auch die Akzeptanz in der Bevölkerung wurde Gegenstand der Untersuchung. Anhand der Ergebnisse wurde eine Toolbox entwickelt, die anderen Städten dabei hilft, urbane Wälder aufzubauen.
Tatsächlich konnte am Beispiel der Leipziger Stadtwälder gezeigt werden, dass urbane Waldflächen erheblich zu einer besseren Lebensqualität in Großstädten beitragen, und dass sie zudem einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Baumbestand ans Klima anpassen
Auch wenn das Klima von den Baumbeständen in den urbanen Wäldern profitiert, muss für einen langfristigen Erfolg auch umgekehrt der Baumbestand an die veränderten Bedingungen angepasst werden, die durch die bereits begonnen Klimaveränderungen schon jetzt anzutreffen sind. Heimische Baumarten sind nicht unbedingt die beste Wahl, wenn es um robuste und nachhaltige Waldflächen in Städten geht.
Zu den typischen Bäumen in deutschen Städten gehören Linden, Platanen und Eichen. Doch diese haben langfristig gesehen nicht die besten Überlebenschancen. Es ist absehbar, dass andere Baumarten ihren Platz einnehmen werden, einnehmen müssen – hierbei geht es um Baumarten, die besser an die sich schnell verändernden Klimabedingungen angepasst sind.
Herausfordernde Bedingungen für Stadtwälder
Feinstaub und andere Schadstoffe belasten die Bäume in Stadtgebieten. Ihr Wurzelwerk wird in seiner Ausbreitung stark begrenzt. Den städtischen Böden mangelt es zudem an Wasser und wichtigen Nährstoffen. Und die Bäume sind hohen Verletzungsgefahren ausgesetzt: Bauarbeiten und Unfälle tragen in erster Linie dazu bei.
Am stärksten setzt den Bäumen in der Stadt jedoch die Klimakrise zu. Im Vergleich zu ihren Artgenossen auf dem Land müssen die Bäume in der Stadt im Sommer deutlich höhere Durchschnittstemperaturen aushalten. Und im Winter müssen sie mehr Frost ertragen. Auch andere Wetterextreme wie starke Stürme treffen die Bäume in den Städten. Und es ist davon auszugehen, dass sich dies in den kommenden Jahren weiter verstärken wird. Folge ist, dass das Baumsterben in den Städten immer weiter um sich greift. So verdoppelte sich die Zahl der Bäume, die gefällt werden mussten, in Frankfurt am Main binnen weniger Jahre.
Übrigens: Der Grund für die höheren Temperaturen in den Großstädten ist der sogenannte Wärmeinseleffekt. Die Sonne heizt Beton und Asphaltflächen besonders stark auf. Zudem speichern sie die Wärme und vor allem in Bodennähe ist die Temperatur dadurch spürbar erhöht. Dies trägt zur Austrocknung der Bäume bei. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Tatsache, dass die festen Böden in Städten weniger Wasser speichern können als luftigere Waldböden.
Eine weitere nicht zu unterschätzende Bedrohung für die Stadtbäume sind bestimmte Schädlinge, die sich aufgrund des Klimawandels immer stärker ausbreiten. Dazu gehört zum Beispiel der Eichenprozessionsspinner.
Wälder sind in den Städten eine kostengünstige Alternative zu den oft sehr pflegeintensiven Grünflächen wie Parks. Dabei muss bedacht werden, dass ein Stadtwald andere Aspekte umfasst als die „traditionellen" forstwirtschaftlichen Wälder. Bedingt wird dies unter anderem durch die anderen Lebensbedingungen der Bäume in den Städten.
Ein nachhaltiges Konzept zur Stadtbegrünung muss daher auch gebietsfremde Baumarten in Erwägung ziehen und gleichzeitig die kritischen Punkte dabei berücksichtigen. Denn eine gebietsfremde Baumart zu verbreiten, kann negative Folgen für das heimische Ökosystem, für Tier- und Pflanzenwelt haben. So kann beispielsweise eine gebietsfremde Art bedrohte heimische Arten zusätzlich gefährden.
Mischwälder für Stadtgebiete Für urbane Wälder genutzte Baumarten sollten daher über folgende Eigenschaften verfügen:
- Sie sollten eine hohe Toleranz gegenüber Hitze, Trockenheit, Frost und Wind aufweisen.
- Sie sollten mit der heimischen Tier- und Pflanzenwelt verträglich sein.
- Sie sollten gegenüber Schädlingen und Krankheiten eine hohe Widerstandskraft haben.
Übrigens ergab eine Vorstudie der TU München, dass sich für die Bewaldung urbaner Flächen vor allem eine Mischung aus heimischen und gebietsfremden Baumarten eignet. Diese wirkt sich positiv sowohl auf die Bäume selbst als auch auf hier lebenden Insekten aus. Um herauszufinden, welche Bäume konkret geeignet sind, werden 30 verschiedene Baumarten geprüft. Hoffnung wird unter anderem in die Hopfenbuche, den Zürgelbaum und die Silberlinde gesetzt.
Fazit: Innovation und Kreativität für die grünen Städte der Zukunft
Mit innovativen Projekten zur urbanen Aufforstung und dem Schutz städtischer Waldflächen wird eine neue und zukunftsträchtige Perspektive für Großstädte und Großwohnsiedlungen gegeben. Entsprechende Projekte bilden die Basis für einen tiefgreifenden Strukturwandel in Städten und Stadtteilen, auf der konkrete Beiträge zur städtebaulichen Qualitätsverbesserung erfolgen.
Dazu gehört vor allem der Zugewinn an Naturland durch Ausbau von Baumbeständen und Stadtwäldern. Eng damit verbunden ist eine Verbesserung von Klima und Luftqualität sowie ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz. Durch eine Erweiterung wohnungsnaher Grünflächen entstehen zudem neue Freizeit- und Erholungsräume. Durch eine aktive Flächenpolitik der Städte in eine entsprechende Richtung entstehen Win-Win-Situationen für alle Beteiligten. Eine wichtige Rolle spielt dabei nicht zuletzt die Wahl der Bäume, um wirklich langfristige und nachhaltige Erfolge zu erzielen.